Am 16. Februar 1963 marschierte also eine ordentliche Mannschaft Sipplinger Narren über das Eis des Bodensees in Richtung Bodanrück. Es war aber extrem nebelig und deshalb entschloss man sich, einen Voraustrupp zu bilden, damit die ganze Narrengesellschaft den Weg über das Eis findet.
Gemeldet hat sich der ehemalige Fremdenlegionär Kurt Senf, der einen Kompass besaß und so die Richtung über den See bestimmen konnte. Frohgelaunt machte sich also die ganze närrische Truppe auf den Weg, um den Narrenbaum einzuholen – allen voran Fremdenlegionär Senf mit einem sicheren, und zufriedenen Gesichtsausdruck und dem Kompass in der Hand. Die Sipplinger Narren marschierten eine Stunde durch den undurchdringlichen Nebel ehe sie schemenhaft Land sehen konnten. Das Ufer ist erreicht, der Bodanrück in Sicht, jubelten die Sipplinger Narren. War es vielleicht das Schnäpschen als wirksames Gegenmittel gegen die große Kälte oder war es die Axt über der Schulter, die den Kompass verwirrte, denn nach wenigen Metern mussten sie feststellen, dass sie beim Nikase- (Franz Schirmeister) angekommen waren.
Sie waren also in einer Stunde in einem großen Bogen vom Landungsplatz übers Eis zum östlichen Ortsende gelaufen! Hohn und Spott überhäuften den „Fährtensucher” Senf mit seinem Kompass.
Die Sipplinger aber ließen sich nicht entmutigten. Sie versuchten es noch einmal, denn inzwischen hatte sich der Nebel ein klein wenig gelichtet. Weil aber seit dem ersten Versuch der Bodenseeüberquerung schon sehr viel Zeit vergangen war, schickten sie ein paar Schlittschuhläufer voraus in Richtung Bodanrück, denn dort wartete der Förster von Bodman, der den Sipplingern den richtigen Baum zum Einschlag anweisen sollte. Und glücklicherweise erreichten die Schlittschuhläufer das gegenüberliegende Ufer bald und konnten den Bodmaner Förster, der schon vergebens seit einer Stunden auf die Sipplinger gewartet hatte, vertrösten. Er wollte schon unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen.
Nach Ankunft der Sipplinger zeigte ihnen der Förster eine Tanne, die sie als Narrenbaum schlagen konnten. Aber die Sipplinger waren damit nicht zufrieden, denn der Baum erschien ihnen zu klein. Narrenpräsident Heinz Rossdeutscher verlieh dem Förster kurzerhand den Sipplinger Trube-Kriese-Rätscher-Orden, worauf dieser sprach:
“Hauet halt an ab, isch mir doch egal”.
Die Sipplinger Zimmerleute suchten sich daraufhin einen mächtigen Baum aus, den sie fällten. Ganze 35.5 m war der Baum lang, der nun am Seil den Berg hinunter zum Bodensee gezogen werden musste. Nahezu 2 m3 Holz wurden mit „Hauruck” Meter um Meter durch das Unterholz gezerrt, bis schließlich der „gräfliche Narrenbaum” auf dem Eis lag.
Trotz der großen Kälte in Schnee und Eis kamen die Sipplinger Zimmerleute ordentlich ins Schwitzen.Dann ging es zurück über den See. Drei Kilometer über das Eis musste der schwere Baum gezogen werden. Damit der Baumwipfel (Dolden) keinen Schaden erlitt, wurde er auf einen Holzschlitten (Schlitten, mit dem früher Holz die Hänge herunter transportiert wurde) vom Josef i de Gasse (Josef Widenhorn, Am Brunnenberg) gelegt.
Um 2 Uhr mittags kam der Trupp mit Narrenbaum am Landungsplatz in Sipplingen an.Die ganze Sipplinger Bevölkerung wartete schon am Landungsplatz auf das einmalige Spektakel des Narrenbaums von Übersee. Berthold Schirmeister (Sternenwirt) hat die tapferen Wanderer über das Eis mit einer Flasche Cocnac begrüßt und Fasnachts-präsident Heinz Rossdeutscher gab bekannt, dass für alle, die den Narrenbaum über den See gebracht haben, zur Stärkung im Gasthaus Linde ein Vesper und 5 Halbe Bier bereit stehen.
Der 35,5 m lange Narrenbaum wurde zwar unversehrt übers Eis nach Sipplingen gebracht, konnte allerdings am nächsten Tag nicht aufgestellt werden. In der Nacht hatten Unbekannte den Baum derart angesägt, dass Bruchgefahr bestand. Bis heute ist nicht bekannt, wer der oder die Übeltäter waren. Aber schon damals wurde in Sipplingen gemunkelt, dass die Täter aus Bodman oder Ludwigshafen gekommen waren, denn die jungen Burschen aus den Nachbargemeinden hatten sich schon immer gegenseitig geärgert oder wegen der Mädchen beim Tanz auch gelegentlich geschlagen.
Alte Ludwigshäfler Narren erzählen heute noch, dass auch sie damals einen Narrenbaum von Bodman übers Eis holen wollten, “aber mir hont jo kon kriegt vum Graf”
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